Info: Über psychische Erkrankungen wird heute viel offener gesprochen, als noch vor zwanzig Jahren. Auch die Versorgungslage hat sich verbessert. Das bestätigt Dietmar Geissler, der (heute 49 Jahre alt) seit vielen Jahren manisch-depressiv erkrankt ist. Beim Hauptstadtsymposium der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde hat er von den Hürden, die er nehmen musste, berichtet. Und darüber, was heute immer noch bei der Versorgung schief läuft.
Anmoderation: Es kostet viel Mut, sich hinzustellen und zu sagen: „Ich bin depressiv“. Oder: „Ich bin schizophren“. Immerhin: mehr als jeder dritte Deutsche (38%) mit einer psychichen Erkrankung holt sich inzwischen professionelle Hilfe, und die Bereitschaft, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, steigt. Aber: auch wer sich traut, trifft nicht immer auf Akzeptanz und wird ausreichend versorgt. So wie Dietmar Geissler. Er ist seit 16 Jahren manisch-depressiv und berichtet von seinem schweren Weg.
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Beitragstext: Alles begann mit 22, als der heute 49-jährige Dietmar Geissler irgendwie nicht mehr konnte. Dabei hatte er eine gute berufliche Stellung bei der Bundeswehr und eine Partnerin. O-Ton Dass Dietmar Geissler seine Krankheit nicht als solche erkannte, lag nicht daran, dass er sie verdrängte. Damals, in den 80er Jahren, war die Versorgung katastrophal, meint er. Es gab wenig Aufklärung. Seine Freundin war hilflos. Sein Arzt machte es sich einfach. O-Ton Als Mann der Bundeswehr traurig, leer und erschöpft? Das durfte nicht sein. Und so zog sich Dietmar Geissler immer mehr zurück, ging wochenlang gar nicht vor die Tür. Am Ende dauerte es Jahre, bis eine vernünftige Diagnose gestellt und er ansprechend behandelt wurde. Heute ist vieles anders, sagt der 49-jährige. Aber es dauert immer noch lange, meint er, bis eine richtige Diagnose gestellt wird und bis ein Therapieplatz da ist. Außerdem würden viele Menschen immer noch abschätzig denken „Depressive haben eine Macke, sind krank und kaputt“. Er wünscht sich einen normaleren Umgang. O-Ton Und: Natürlich sagt Geissler, kann nicht jeder seinen eigenen zugeschnittenen Therapeuten bekommen, aber er hofft, dass die Betreuung in Zukunft individueller gestaltet wird und nicht nach Katalog durchgeführt und abgerechnet – und, dass auch Angehörige mehr einbezogen werden. Die, sagt er aus eigener Erfahrung, leiden oft noch mehr, als die Betroffenen selbst. Sarah Tschernigow, Berlin. Aus Berlin, Sarah Tschernigow |