DGPPN Kongress 2009 | 25.11.09 - 28.11.09 | Berlin
Psychische Erkrankungen bei Männern und Frauen

Info: Ein Kollegengespräch über geschlechtsspezifische Aspekte bei psychischen Erkrankungen: Was unterscheidet Männer und Frauen im Umgang mit Erkrankungen und im Krankheitsbild selbst. Dazu O-Töne einer Fachärztin vom diesjährigen DGPPN-Kongress in Berlin.

Anmoderation: Männer sind wehleidig, Frauen haben immer Kopfschmerzen - was die Klischees der Geschlechter betrifft, ist die Palette groß. Doch aus wissenschaftlicher Sicht sind einige Klischees gar nicht so weit hergeholt. Gerade in Bezug auf psychische Erkrankungen gibt es erhebliche Unterschiede bei Männern und Frauen.

Frage 1: Welche das sind, erklärt uns jetzt Sarah Tschernigow, die sich beim DGPPN-Kongress in Berlin aufhält und sich mit dem Thema befasst hat. Sarah, kann man sagen, dass Männer anders krank sind als Frauen?

Frage 2: Was ist, wenn beide Geschlechter an derselben Krankheit leiden, zum Beispiel Alkoholsucht. Wie machen sich die Unterschiede da bemerkbar?
 
Abmoderation: Vielen Dank Sarah Tschernigow, die uns die Unterschiede im Krankheitsfall bei Männern und Frauen erläutert hat.

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Antwort 1:
Im Zeitalter der Emanzipation klingt das erstmal unvorstellbar und so manche Feministin würde jetzt auf die Barrikaden gehen, aber aus wissenschaftlicher Perspektive sind die Geschlechter allein schon organisch verschieden. Zwar kann man sagen, dass Männer und Frauen ungefähr gleich häufig eine psychische Krankheit bekommen, etwa jeder Dritte erfährt eine im Laufe seines Lebens, aber die Krankheitsbilder sind unterschiedlich, sagt Dr. Iris Hauth, ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Berlin-Weißensee.
O-Ton
Allerdings räumt sie ein, dass die Unterschiede zum Teil auch die Folge von verzerrten Diagnosen sein können. Denn Diagnosen werden ja auch von männlichen und weiblichen Ärzten gestellt, und bei weiblichen Patienten wird auch häufiger die Diagnose Depression gestellt wird und sie bekommen auch häufiger Medikamente verschrieben. Außerdem: Frauen suchen sich eher Hilfe und sprechen eher über seelische Belastungen, wohingegen Männer eher körperlichen Symptomen nachgehen - und das hat was mit dem unterschiedlichen Rollenbild in der Gesellschaft zu tun; immer noch.

Antwort 2:
Frauen erkranken später und sie haben eher körperliche Folgeerscheinungen im Gehirn und in der Leber, Männer bauen den Alkohol anders ab. Bei Depressionen zum Beispiel ist es so, dass Frauen ihre Empfindungen klarer äußern, Männer sich eher nach Außen aggressiv verhalten und auch eher in der „Eigentherapie" zur Flasche greifen. Betrachtet man die schweren Fälle, beispielsweise Menschen, die suizidgefährdet sind: auch hier gibt es gravierende Verhaltensunterschiede:
O-Ton
Ein nicht durchgezogener Selbstmordversuch ist ja auch in der Regel eine Art Hilferuf, was wieder dazu passt, dass Frauen ihre Hilfebedürftigkeit eher kommunizieren.
Also Fazit: Die Häufigkeit einer psychischen Erkrankung ist bei beiden Geschlechtern gleich, aber die Krankheitsbilder und auch der Umgang mit einer Erkrankung unterscheidet sich immens. Zum einen aufgrund von körperlichen Unterschieden, aber auch zum anderen ganz erheblich aufgrund unterschiedlicher Rollenbilder, die gesellschaftlich geprägt werden.

O-Ton: Dr. med. Iris Hauth, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, 13088 Berlin
Länge: 3:03 (2 Antworten)
Autor: Sarah Tschernigow

erstellt: 27.11.2009 
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