MEDICA / COMPAMED 2015 | 16.11.15 - 19.11.15 | Düsseldorf
120 LED-Leuchten im Innenohr
artimg10049_120x80.jpg

Info: Durch Lichtimpulse hören - was wie Science Fiction klingt, hat in diesem Sommer 7,5 Millionen Euro Fördergeld der EU bekommen. Optogenetik heißt das gerade erst 16 Jahre alt gewordene Feld. Tobias Moser von der Universitätsmedizin ist einer der Forscher dieses Gebiets und er hofft, damit ein paar Gründe für Taubheit überbrücken zu können. Statt elektrischer Impulse könnten Lichtimpulse im Innenohr die Schallwellen in Nervenreize übertragen. Allerdings ist das kompliziert und hat auch was mit Erbgut von Viren zu tun.

Anmoderation: Im Vergleich zu anderen Therapieansätzen ist die Optogenetik eine ziemlich junge Disziplin. Gerade einmal 16 Jahre hat sie als Theorie auf dem Buckel. Doch ihre Forscher können sich freuen, sie haben in diesem Sommer mit dem 7,5 Millionen Euro EU-Fördergeld bekommen, um ihre Forschungen zu unterstützen. Der Ansatz der Optogenetik ist radikal. Auf der Medica Preview in Hamburg, der ersten Vorschau auf die weltgrößte Medizinmesse Medica in Düsseldorf, hat der Göttinger Forscher Tobias Moser die inzwischen durch erste Tierversuche bestätigten Annahmen vorgestellt. Damit könnten in etlichen Jahren bestimmte Formen von Hör- oder Sehbehinderungen geheilt werden.

O-Ton 1: "Man redet von dem Steuern von Zellen, den kleinsten Bausteinen unseres Körpers, mit Licht ... Erbinformation für Lichtschalter, die wir in die Zellen einbringen ... Zellen elektrisch erregen, ihr Signal innerhalb der Zelle verändern und so weiter und so fort."

Zwischenmoderation: Bei Mäusen mit angeborenem, geschädigtem Innenohr hatte das Erfolg. Sie konnten wieder hören. Allerdings ist es nicht so einfach. Üblicherweise wird heute ein Cochlea-Implantat verwendet, um fehlende Schallweiterleitung im Innenohr zu überbrücken. Das Implantat liegt in der Hörschnecke und setzt Schallwellen in elektrische Reize um. Das aber funktioniert nur recht grob, sagt Tobias Moser.

O-Ton 2: "Wenn Sie also zum Beispiel hier in einem etwas akustisch anspruchsvollen Umfeld sich unterhalten wollen ... brauchen Sie gute Frequenzauflösung ... ist im elektrischen Cochlea-Implantat leider schlecht."

Zwischenmoderation: Ein gutes Vergleichsbild ist ein Pianist, der statt mit dem Finger gleich mit der ganzen Hand eine Melodie spielt. Mit dem optogenetischen Ansatz würden aus der ganzen Hand, dann zwei oder drei Finger, die gleichzeitig eine Taste drücken; die Auflösung ist besser. Aber da ist noch die Sache mit der Genetik. Denn auf elektrische Reize zwischen verschiedenen Organen wie Ohr und Gehirn ist unser Körper spezialisiert, auf Lichtreize eher nicht. Deshalb müssen Viren zur Unterstützung her, beziehungsweise deren Erbgut, dass in die Körperzellen eingeschleust wird.

O-Ton 3: "Dort liegt diese Erbinformation, die wird nicht integriert in unser Genom ... und wird abgelesen von den zellulären Systemen ... der Lichtschalter wird von der Nervenzelle produziert und eingebaut ... und wir können mit einer geeigneten Lichtquelle Nervenimpulse in der Hörnervenzelle auslösen."

Zwischenmoderation: Die geeignete Lichtquelle ist dabei einem Cochlea-Implantat ähnlich. Es ist ein etwa ein Zentimeter langes Band, schließlich muss es ja in eine menschliche Hörschnecke passen. Auf dem Band sind rund 120 LEDs, die je nach Tonhöhe weiter vorne oder weiter hinten in der Schnecke leuchten und die Nervenzellen anregen, Tonempfindungen an das Gehirn zu schicken. Bleibt noch die Frage, wann denn Menschen damit wieder hören können. Das wird noch dauern, sagt Tobias Moser und möchte sich nicht festlegen. Die Forschung für die nächsten fünf Jahre ist sicher, dabei geht es aber um Grundlagen und vorgeschriebene Tierversuche. Irgendwann danach können auch klinische Tests mit Menschen gemacht werden.

O-Ton 4: "Wir müssen bei der Technologieentwicklung aus den Kinderschuhen ... das ist nicht trivial ... für Verhaltensexperimente besonders geeigneten Tiermodell zeigen, dass der Nutzen der optischen Stimulation die höhere Komplexität und die zumindest initial höheren Risiken wirklich in den Schatten stellt."

Abmoderation: Bis das so weit ist, werden also noch etliche Jahre ins Land gehen. Auf der anderen Seite war die Entwicklung bisher rasant: Von der Theorie 1999 über erste Versuche mit Fruchtfliegen und einzelnen Zellen wenige Jahre später bis zum praktischen Beweis, dass mit der Optogenetik prinzipiell manche Formen der Taubheit kuriert werden können in diesem Jahr, das ist ziemlich schnell. Allerdings geht es jetzt um die Detailarbeit. Und dazu gehört auch, dass es verschiedene Gründe für eine Taubheit des Innenohrs gibt. Und für alle müsste die Therapie etwas anders aufgebaut sein.

O-Ton: Prof Dr. Tobias Moser, Direktor, Institut für Auditorische Neurowissenschaften, Universitätsmedizin Göttingen, 37075 Göttingen
Länge: 1:53 (4 Antworten, kürzbar und einzeln einsetzbar)
Autor: Harald Schönfelder

erstellt: 05.10.2015 
Bereitstellung des mp3-Audios in Sendequalität (E-Mail-Versand oder direkt speichern)
Nach Eingabe von Name, E-Mail und Sender stellen wir Ihnen unsere Audio-Beiträge zur kostenfreien Nutzung unter Berücksichtigung unserer AGB zur Verfügung.
Ihre personenbezogenen Daten unterliegen selbstverständlich dem Datenschutz und werden nur für interne Zwecke verwendet.
* = notwendige Angaben
Beitrags-Funktionen
Ihr Ansprechpartner
Harald Schönfelder
Redaktion

h.schoenfelder@dhd-news.de